Die meisten Kinder und Jugendlichen mussten ohne ihre Eltern oder erwachsene Verwandte den Weg in die neue Heimat antreten. Mit der alten Heimat hatten sie nicht nur ihre Sprache, sondern auch ihren Freundeskreis und oft auch ihre engste Familie verloren. Sie kamen in ein fremdes Land, konnten sich zunächst nicht verständigen, mussten sich auf andere Lebensgewohnheiten einstellen und ohne die Unterstützung von vertrauten Menschen zurechtkommen.
Wer in einem Kindertransport nach England geflohen war, kam meist nach Dovercourt, einem Sommer-Ferienlager an der englischen Südküste. Dort mussten die Kinder und Jugendlichen darauf warten, dass sie von englischen Familien aufgenommen wurden. Die wenigen Kinder, deren Eltern noch von zu Hause aus eine Pflegefamilie organisieren hatten können, kamen nach London.
Als England im September 1939 in den Krieg gegen Hitler-Deutschland eintrat, hatte das auch Auswirkungen auf die aus dem Deutschen Reich geflüchteten Kinder und Jugendlichen. Sie wurden plötzlich als „enemy alien“ angesehen. Menschen, die aus dem deutschen Reich kamen, waren für die Engländer mit Kriegsbeginn „feindliche Ausländer“, auch wenn sie vor den Nazis geflohen waren, um ihr Leben zu retten.
Wer nach Palästina gelangen wollte, war zuvor meist wochenlang auf Flüchtlingsschiffen unterwegs. Oft verhinderten die Engländer, dass diese Schiffe in den Häfen von Palästina landeten, wenn es sich um nicht genehmigte Flüchtlingstransporte handelte. Die Engländer verwalteten das Land seit dem Ende des Ersten Weltkriegs und befürchteten Aufstände der arabischen Bevölkerung, wenn sie zu vielen jüdischen Flüchtlingen erlaubten ins Land zu kommen. Da aber die Flüchtlingszahlen aus Deutschland und von den Nazis besetzten Gebieten die vereinbarten Quoten bei weitem überstiegen, gab es auch illegale Einreiseversuche, die nicht immer glückten.
In Palästina kamen die Flüchtlingskinder zu Pflegefamilien oder in Heime. Sie mussten sich an ein ungewohntes Klima und eine gänzlich andere Lebensumgebung gewöhnen und möglichst schnell Hebräisch lernen. Der Briefkontakt zu den Familienmitgliedern in der alten Heimat riss mit dem Kriegseintritt der Engländer ab. Viele erfuhren erst Jahrzehnte später nach intensiven Nachforschungen, in welchen Vernichtungslagern der Nazis ihre engsten Verwandten umgebracht worden waren.
Der Verlust der alten Heimat bedeutete auch einen sozialen Abstieg für die Flüchtlinge. Die meisten von ihnen kamen aus begüterten und angesehenen Familien, bevor die Nazis ihnen ihren Besitz geraubt hatten. Man hatte gerade noch genug Geld, um die Flucht zu finanzieren. In den Exilländern mussten sich die Eltern mit Arbeiten, die nicht ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten entsprachen, den Lebensunterhalt verdienen. Die Kinder verließen oft frühzeitig die Schule, um als Lehrlinge zum Familieneinkommen beizutragen. Frühere Berufsträume mussten der Sorge um den Lebensunterhalt geopfert werden. Trotz schwieriger Anfangsbedingungen bauten sich die ZeitzeugInnen in ihrer neuen Heimat eine neue Existenz auf, machten Karriere in ihren Berufen und gründeten eine Familie.