Durch die Staatsgrundgesetze von 1867 waren alle BürgerInnen der Habsburgermonarchie gesetzlich gleichgestellt und konnten auch ihren Wohnsitz frei wählen. Daher nahm in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die jüdische Bevölkerung von Innsbruck zu. In der Hoffnung auf sozialen Aufstieg ließen sich hier Handwerker und Kaufleute aus Böhmen, Mähren, der Slowakei und Galizien nieder. Die jüdischen BürgerInnen engagierten sich in zahlreichen Vereinen und belebten die städtische Wirtschaft.
Die ZeitzeugInnen berichten über ihre Kindheit und Jugend in Innsbruck. Bildung wurde in den meisten jüdischen Familien groß geschrieben. Die Kinder wurden zum Lesen und Lernen animiert. In der Schule sahen sie sich zum Teil schon vor 1938 mit antisemitisch eingestellten Lehrpersonen konfrontiert. Trotzdem liebten sie ihre Heimat, waren stolz auf Österreich und gingen gern zur Schule. Viele ihrer Großväter und Väter hatten im Ersten Weltkrieg in der habsburgischen Armee gedient und für Kaiser und Vaterland gekämpft.
Ihre Freizeit verbrachten sie mit Geschwistern oder Nachbarskindern bei Spielen im Freien. Am Wochenende und in den Ferien ging man mit der Familie in die Berge zum Wandern und Bergsteigen und im Winter zum Rodeln und Schifahren. Manche jüdische Kinder und Jugendliche waren Mitglieder bei den Pfadfindern, andere trafen sich zur gemeinsamen Freizeitgestaltung in jüdischen Vereinen wie den Sportvereinen „Hakoah“ oder „Makkabi Hazair“, einem Verein, der zionistisch ausgerichtet war.